Hallo, Besucher der Thread wurde 20762 aufgerufen und enthält 13 Antworten

letzter Beitrag von Gerd (†) ()

Pleurotus calyptratus

  • Hallo Annamaria,



    Zeige hier meinen Fund vom Sonntag den ich für mich als -


    Pleurotus calyptratus (Beschleierter Seitling) identifiziert habe.


    - Für mich kommen ohne Restzweifel wegen der Form des Fruchtkörpers und der Velumreste nur zwei Arten in die engere Wahl:


    (1) Pleurotus calyptratus (Beschleierter Seitling, Espen-Seitlng)


    ---> eine in der BRD nur mit wenigen BW-Funden belegte „Pappel“ bewohnende Art, die ich leider nicht kenne.


    ---> In [6] findet man in der Umgebung von Graz nur einen Fundnachweis von Gernot Friebes im MTB 9058-2 (Fernitz: Mur-Auen, Süd)


    (2) Pleurotus dryinus (Berindeter Seitling, Eichen-Seitling)


    ---> eine Art, die ich schon seit mehreren Jahrzehnten kenne und bereits an einigen Laubholzarten und auch mehrfach an Fichte gefunden habe.


    ---> In [6] werden immerhin mehrere Funde südlich/östlich von Graz gelistet
    ------------------------


    - Bevor ich deinen Fund bewerte, habe ich mich in meiner Literatur umgesehen und versuche jetzt folgende für „Feldmykologen“ entscheidende Frage zu klären:


    - Wie kann man makroskopisch die Sippen "P. calyptratus" und "P. dryinus" unterscheiden?

    Nach [1] gibt es folgende „eindeutige, charakteristische Merkmale:


    1 P. calyptratus:
    1.1 hat einen seidig faserigen Hut, der durch hygrophane Zonen „zweifarbig“ erscheint.
    1.2 Ist in der Natur immer „ungestielt“


    Anmerkungen Gerd:


    - Andere Autoren (halte ich für realistisch) bezeichnen den Stiel als fehlend bis rudimentär!
    - Einig sind sich die Autoren über „Populus spec.“ als Substrat


    2. P. dryinus
    2.1 Die „Kutis“ (Huthaut) ist filzig bis schuppig bis feldrig-rissig
    2.2 Der Stiel ist deutlich ausgeprägt, oft sogar wurzelnd
    2.3 „Ringartige“ Velumstrukturen am Stiel sind häufig vorhanden


    Anmerkungen Gerd:[u]
    - Substrat sind div. Laubbäume (nicht nur Eiche!!!), aber auch Fichte
    ---------------------------


    [u]Übrigens:


    - Beide Arten haben einen „lateralen“ (seitlichen) Stielansatz und neigen beim Ärgern zum Gilben.
    - Halbkreisförmige „Fruchtkörper“ sind nach [1] kein brauchbares Trennmerkmal.
    =============================================


    Und jetzt wird es für mich schwierig und ich wundere mich nicht, dass bisher dein Fund noch nicht kommentiert wurde:


    (1) Mir fällt bei deinem Fund „neidisch“ nur folgender Spruch ein:
    ---> „Der dümmste Bauer erntet die größten Kartoffeln“ :D


    (2) Denn, Ähnlichkeiten mit „P. dryinus“ (beachte den „rudimentären“ Stiel und die faserige Huthaut) kann ich nicht so recht erkennen.


    (3) Kaum zu glauben:


    ---> Ich neige (herzlichen Glückwunsch) dazu, deinen Fund auch als „Pleurotus cf. calyptratus (Lindblad 1857) Saccardo 1887 zu bezeichnen.


    Anmerkung:

    - cf. (= sollte nachbestimmt werden!) nur, da ich (a) diese „Rarität“ noch nie in der Hand hatte und (b) das Substrat nach deinen Bildern nicht sicher bestimmen kann.


    - Auch die Erscheinungszeit würde übrigens besser zu P. calyptratus passen.
    -------------------------
    Jürgen:
    - Mache doch bitte einmal „Gernot“ oder einen „deiner Pilzkenner aus Graz“ auf diesen Fund aufmerksam.


    @Annamaria:
    - Wenn die Nachbestimmung meine Vermutung bestätigt, dann muss dieser Fund kartiert und ein Exsikkat hinterlegt werden.


    - Ansonsten, auch wenn es mich überraschend um „P.dryinus“ handeln sollte, wäre eine Kartierung angesagt, da auch diese Art in der Steiermark bisher keineswegs flächendeckend nachgewiesen wurde.


    Grüße
    Gerd


    Literatur:


    [1] O. Hilber (1981): Biosystematische Untersuchungen zur Kenntnis von Pleurotus calyptratus (Lindbl. In Fr.) Sacc. Und Pleurotus dryinus (Pers. Ex Fr.) Kummer; ZMykol 47(1):27-62


    [2] E. Ludwig (2000/2001): Pilzkompendium Band 1; IHW-Verlag


    [3] G.J. Krieglsteiner ():Die Großpilze Baden-Württembergs Band 3


    [4] F. Gröger (2006): Bestimmungsschlüssel für Blätterpilze und Röhrlinge in Europa Teil 1; Regensburger Myk. Schriften Band 13


    [5] M.Moser (1983): Die Röhrlinge und Blätterpilze; Kleine Kryptogamenflora Band IIb/2


    [6] Austria Datenbank

    Ich mache nur Bestimmungsvorschläge ohne Freigabe für Speisezwecke!!!

    Einmal editiert, zuletzt von Gerd (†) ()

  • Hallo zusammen,


    Hallo Gerd,


    ich kann morgen VM nochmals die Fundstelle aufsuchen, und etwaige Details festhalten. Laubholzstamm war es mal sicher.
    Ich habe diese Art bis dato auch noch nicht gefunden, meinte beim ersten Anblick es sei normaler Austernseitling, aber dem ist nicht so.
    Hab dann mal rumgesucht was es da sonst noch gibt, und bin mir ziemlich sicher das es Pleurotus calyptratus ist.


    Grüsse
    Annamaria


    PS: ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn ;)

  • Hallo Annamaria,


    Gratulation zu deinem Fund:top:. Da der mir noch nie untergekommen ist habe ich mich lieber zurückgehalten. Ich hatte neben den Austern bisher nur P. dryinus und der hatte immer einen deutlich erkennbaren Stiel. Komischerweise wuchsen die immer an Fichte und nie an Laubholz aber das scheint ja auch möglich zu sein.


    VG Willihund

  • Hallo Annamaria,


    ich kann morgen VM nochmals die Fundstelle aufsuchen, und etwaige Details festhalten. Laubholzstamm war es mal sicher.


    - Das bringt m.E. nix. Außer, du bist in der Lage, die Baumart zu bestimmen.
    - Richtig: Laubholz ist es gewiss und Pappel (außer "Schwarz-Pappel!) kann ich aufgrund der Rinde nach meiner Literatur nicht ausschließen.
    - Abwarten bis sich ein Spezialist meldet, der Fundmaterial und eine "Holzprobe" anfordert und dann deinen Fund bestätigt.
    ---> Und notfalls kann auch ich (außer der Holzbestimmung) das, obwohl ich mikroskopieren hasse, übernehmen.


    Ich habe diese Art bis dato auch noch nicht gefunden, meinte beim ersten Anblick es sei normaler Austernseitling, aber dem ist nicht so.


    - Richtig:
    ---> Ein Austernseitling ist das nicht. Denn jeder Schlüsselversuch führt wegen der Velumreste zufort zu "P. calyptratus" und "P.dryinus"


    Hab dann mal rumgesucht was es da sonst noch gibt, und bin mir ziemlich sicher das es Pleurotus calyptratus ist.


    - Ich stimme dir da ja zu.


    PS: ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn ;)


    Falsch, du hast kein "Korn" sondern ein Nugget gefunden :)

    Ich mache nur Bestimmungsvorschläge ohne Freigabe für Speisezwecke!!!

    Einmal editiert, zuletzt von Gerd (†) ()

  • Hallo!


    Schönes Ding!
    Wenn da was anderes rauskommt als die vermutete Art, werde ich sehr erstaunt sein (oder glaube es nicht).


    VG Ingo W

  • Hallo Ingo,



    Schönes Ding!
    Wenn da was anderes rauskommt als die vermutete Art, werde ich sehr erstaunt sein (oder glaube es nicht).


    Danke Ingo, dass wir uns auch hier einig sind.


    (1) Ich halte dies nach stundenlanger Recherche in meiner Literatur auch für "Pleurotus calyptratus (Lindblad 1857) Saccardo 1887", obwohl das Substrat noch nicht geklärt ist.


    ---> Und, wenn die Nachbestimmung dies nicht bestätigt, werde ich das Belegexemplar anfordern, und (widerlich aber leider notwendig)mein "scharfes Auge" (Mikroskop) bemühen.


    (2) Eine Bestimmung des Substrats (bisher nur an wenigen "Populus spec." nachgewiesen) halte ich aber durchaus für wichtig/notwendig, da man bei derartig seltenen Arten das vollständige Wirtsspektrum evtl. noch nicht kennt.


    Grüße
    Gerd

    Ich mache nur Bestimmungsvorschläge ohne Freigabe für Speisezwecke!!!

    Einmal editiert, zuletzt von Gerd (†) ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Annamaria und Gerd,


    Annamaria hat von mir eine Nachricht bezüglich eines Beleges erhalten und ich hoffe, sie lässt ihn mir zukommen. Dann werde ich einen unserer Experten damit belästigen ...


    Mal schauen, liebe Grüße, Jürgen

    "Sorgfältig muß man wahrnehmen, daß nicht giftige P. unter die zu genießenden kommen, indem sonst der Genuß für die Gesundheit höchst nachtheilige Folgen haben, ja selbst den Tod bringen kann.", Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 137-138

    Einmal editiert, zuletzt von juergenhold ()

  • Hallo Jürgen,



    Annamaria hat von mir eine Nachricht bezüglich eines Beleges erhalten und ich hoffe, sie lässt ihn mir zukommen. Dann werde ich einen unserer Experten damit belästigen ...


    Sehr gut. :top:


    Ich sehe deinen Experten schon das Skalpel :hungry: wetzen, um diesen auch für ihn sicher seltenen Fund zu untersuchen.


    Grüße
    Gerd


    Übrigens:


    Literatur findet man bei der DGfM

    Ich mache nur Bestimmungsvorschläge ohne Freigabe für Speisezwecke!!!

    Einmal editiert, zuletzt von Gerd (†) ()

    • Offizieller Beitrag

    Päckchen (sogar per EMS) gut angekommen, ich werde es weiterleiten.


    Mich haben die Preise für EMS zuerst interessiert und dann umgehauen: http://www.post.at/privat_vers…sterreich_tarife.php#2191 , mindestens € 9.73, wirklich unglaublich.


    Nicht nur deshalb, vielen Dank Annamaria und liebe Grüße, Jürgen

  • Hallo Jürgen,



    Päckchen (sogar per EMS) gut angekommen, ich werde es weiterleiten.


    - Ich hoffe, wegen der Bilder, mit Link auf die Anfrage von Annamaria.


    - Ansonsten solltest du diesen Link noch nachrechen.



    Nicht nur deshalb, vielen Dank Annamaria und liebe Grüße, Jürgen



    @Annamaria:


    - Diesem Dank schließe ich mich begeistert an.


    Grüße
    Gerd,


    der,die Hoffnung stibt zuletzt, weiterhin von einem Fund dieser Art nur träumen kann :@

    Ich mache nur Bestimmungsvorschläge ohne Freigabe für Speisezwecke!!!

    • Offizieller Beitrag

    Nun ist dankenswerter Weise eine Antwort von einem unserer Experten zurückgekommen (Gernot Friebes, mittlerweilen angestellt im [url=http://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&ved=0CDEQFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.museum-joanneum.at%2Fde%2Fbotanik%2Fmitarbeiter-innen%2Ftechnische-sammlungspflege-1%2Fgernot-friebes-2&ei=1c-HUfK9KKn_4QSLuYCoDQ&usg=AFQjCNG4o4-8bWR1-99qzovfgORrFKBEIQ&sig2=eRhmujWgo2XuaYOXIDnTUA&bvm=bv.45960087,d.bGE]Universalmuseum Joanneum Botanik[/url]), ich zitiere hier aus seinem Mail:


    Zitat

    Hallo Jürgen,


    das ist bereits makroskopisch eindeutig Pleurotus calyptratus. In der südlichen Steiermark ist die Art keine große Seltenheit (mehr? Evtl. breitet sie sich aus). Mikroskopieren würde wohl gar nicht so viel bringen, da die Unterschiede zu P. dryinus anscheinend nur sehr gering sind (muss mich hier auf Ludwig verlassen, da ich die Arten selber bisher noch nicht mikroskopiert habe).


    Schöne Grüße
    Gernot


    Ich hoffe, dass hiermit alles geklärt ist ...


    Vielen Dank noch einmal an Gernot Friebes, liebe Grüße, Jürgen

    "Sorgfältig muß man wahrnehmen, daß nicht giftige P. unter die zu genießenden kommen, indem sonst der Genuß für die Gesundheit höchst nachtheilige Folgen haben, ja selbst den Tod bringen kann.", Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 137-138

  • Hallo Jürgen,


    Zitat von juergenhold


    Nun ist dankenswerter Weise eine Antwort von einem unserer Experten zurückgekommen (Gernot Friebes, … , ich zitiere hier aus seinem Mail:


    - Danke für diese Info, die ich abschließend (Gernot-Zitate in blau) doch noch etwas kommentieren/ergänzen möchte:


    „das ist bereits makroskopisch eindeutig Pleurotus calyptratus.“


    (1) Einverstanden, obwohl ich diese Art noch nie in der Hand hatte:
    ---> http://www.pilzforum.at/showth…?tid=720&pid=3059#pid3059


    (2) Perfekt, denn das erspart mir den Fund zur Überprüfung anzufordern:
    --->http://www.pilzforum.at/showth…?tid=720&pid=3078#pid3078
    -------------------------


    „In der südlichen Steiermark ist die Art keine große Seltenheit (mehr? Evtl. breitet sie sich aus). „


    - Hmm, da frage ich mich, warum diese Art (a) in der Austria-Datenbank nur insgesamt 31 Fundpunkte (4 davon in der Steiermark) hat und in der „Umgebung von Graz (Murr-Auen“ nur zwei Nachweise (beide von „Gernot“ ) notiert werden.
    -----------------------------


    „Mikroskopieren würde wohl gar nicht so viel bringen, da die Unterschiede zu P. dryinus anscheinend nur sehr gering sind (muss mich hier auf Ludwig verlassen, da ich die Arten selber bisher noch nicht mikroskopiert habe).“


    (1) Ich stimme zu, dass man diese Art (nach meiner Recherche) bereits makroskopisch eindeutig erkennen kann.


    (2) Aber, auch mikroskopisch kann man (vergl. P. calyptratus) deutlich von seinem einzigen europäischen Doppelgänger (P. dryinus) unterscheiden.
    ----------------------


    - Mich würde noch interessieren:
    ---> Wurde ein Belegexemplar hinterlegt und wird der Fund kartiert !??



    Grüße
    Gerd

    Ich mache nur Bestimmungsvorschläge ohne Freigabe für Speisezwecke!!!

    Einmal editiert, zuletzt von Gerd (†) ()

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und genieße unser Forum werbefrei!