Beiträge von Tricholomopsis

    Servus Peter,


    wow, das sind ja wirklich tolle Fotos. Jeweils kleine Kunstwerke!


    Die Bestimmung anhand von Fotos wiederum ist schwierig, oft auch nicht einmal möglich. Für die Bestimmung helfen zudem dokumentierende Fotos natürlich mehr als künstlerische Fotos. Bei ersteren geht es darum, alle relevanten Merkmale zu zeigen, bei letzteren um Lichtstimmung, Perspektive, Schärfenebene / bewusst gewählte Tiefenschärfe (nach Geschmakc viel oder wenig), Bildaufbau (usw.). Wobei dir das eh klar ist. Die Vorrede dient nur der Erklärung, dass ich hier nur Vermutungen anstelle:


    das erste Foto sieht für mich aus wie eine junge Rhodocollybia maculata, weil mich der Stiel daran erinnert. Nicht passend wäre da das relativ dünne und durchscheinende Fleisch. Die roten Flecken kämen hier erst noch (die fehlen jung).


    Foto zwei ist schwierig, da die Pilze noch sehr jung sind. Keinerlei Velum und flockiger Stiel und an Holz... für Flammulina ist der Hut schon sehr trocken - der müsste schleimig sein. Hier passe ich erstmal.


    Foto drei ist leichter - das ist die Nebenfurchtform einer Ascocoryne, vermutlich Ascocoryne sarcoides.


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus beinand,


    im Münchner Staatsherbar liegt ein Briefwechsel zwischen Killermann und Bresadola aus den 1920er Jahren (mit einem Beleg). Killermann wurde ein Pilz aus Österreich geschickt mit der Bitte um Bestimmung. Der Pilz werde Maipilz genannt, hieß es in der Anfrage.
    Zur Sicherheit schickte Killermann den Pilz dann eben zu Bresadola - es stellte sich heraus, dass es Kiefernsteinpilze waren.


    Vassilkov beschrieb im Jahr 1966 aus Russland einen Boletus edulis fm. praecox, also den "Frühlingssteinpilz". Ich habe den Holotypus untersucht - es ist ebenfalls der Kiefernsteinpilz.


    Langer Rede kurzer Sinn:


    wer die frühesten Steinpilze finden will, der suche nach Kiefernsteinpilzen. Funde im Mai sind da normal, wenn's gut geht, kann man schon im April fündig werden (je nach Witterung, Winter zuvor, Schneelage usw.).


    Sommersteinpilz Anfang Mai ist aber (für den) echt früh...


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus beinand,


    ich wollte den Beleg schon viel früher anschauen... im Winter kam ich dann leider zu gar nichts, also habe ich heute endlich den hübschen Weißen mikroskopiert.


    Es hat sich bestätigt - es ist Leucocoprinus cretaceus. Die HDS hatte keine Kugelzellen, sondern die typischen, oft h-förmig verzweigten, etwas unregelmäßigen Zellen und Hyphen, Schnallen Fehlanzeige und dickwandige Sporen mit schönem Keimporus, der von einer farblosen Kappe umschlossen ist (sieht aus wie bei Macrolepiota). Die Sporen sind in der Form variabel (hängt auch vom Blickwinkel ab, sie sind nicht rotationsymmetrisch. Ich kam auf 8-11,5 x 6-7,5 µm (habe aber nur 11 Sporen vermessen, da die Bestimmung klar war).
    Die Cheilocystiden passen auch - alles passt zur ausführlichen Beschreibung von Else Vellinga in der Flora Agaricina Neerlandica.


    Ein toller Fund, die Art ist - empfinde ich - sehr selten. Der Klimawandel behagt ihr vermutlich sehr.


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus Nico,


    dein unbekannter Pilz ist Polyporus badius, der Kastanienbraune Porling. Und zwar äußerst typisch für einen nicht mehr ganz jungen, aber noch nicht ausgereiften Fruchtkörper (der Hut ist erst löwengelb und färbt dann in Richtung Kastanienbraun um - bei deinem ist er im Übergangsstadium).


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus Rainer,


    dein "Birkenpilz" sieht mir sehr nach Leccinellum pseudoscabrum aus, also nach dem Hainbuchenröhrling. Sehr viel sieht man von ihm aber nicht. Ich vermute, dass die Poren etwas gelblich waren und er im Fleisch schwärzt.


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus Jürgen,


    es wurde ja quasi alles gesagt - ich kann auch nur die Gattung bestätigen. Auf die Art will ich mich aber nicht festlegen - ohne Mikroskopie... Ich möchte aber nur noch anmerken, dass Melanogaster quasi ein trüffelförmiger Krempling ist. Die Gattung ist sehr nah mit Paxillus s.str. verwandt.


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus Gerd,


    MycoBank und IndexFungorum sind keine geeignete Quellen, um nach dem gebräuchlichen Namen zu sehen. Ich habe hier ausführlich erklärt, warum ich dieser Meinung bin und das auch begründet - und dabei insbesondere herausgehoben, wofür diese Datenbanken eigentlich gedacht sind.


    Die Gattung Discina wurde schon längst mit der Gattung Gyromitra zusammengeworfen. Mittlerweile wurde auch die Gattung Pseudorhizina wieder in Gyromitra eingegliedert. Das nur nebenbei.


    Discina ancilis ist daher im Moment "out".


    Ob man den Pilz jetzt Gyromitra ancilis oder Gyromitra perlate nennen soll - dass die beiden Namen Synonyme sind, darüber sind dich die Spezialisten einig - muss letzten Endes das Nomenklaturkommittee entscheiden. Van Vooren & Moreau nutzen in ihrer Monographie der Gattung Gyromitra den Namen Gyromitra perlata und begründen das auch. Ich hab nur gerade nicht im Kopf, warum - bzw. ob es da um eine Konservierung des Namens geht.


    Ich folge den Spezialisten und nenne die Art deshalb auch Gyromitra perlata - so, wie es früher üblich war. In dem [url=https://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,1502.0.html]Schlüssel der Gattung Gyromitra[/url], den ich kompiliert habe (großteils eine Übersetzung aus van Vooren & Moreau, aber auch ergänzt, abgeändert etc.) habe ich auch Gyromitra perlata verwendet.


    Zur Häufigkeit...


    Gyromitra perlata ist die häufigste der Scheibenlorcheln - das sehe ich auch so. Gyromitra parma ist auch recht häufig im passenden Habitat, aber auf die Fläche bezogen ist Gyromitra perlata wohl noch eine Stufe häufiger. Das heißt aber nicht, dass es eine wirklich häufige Art ist. Ich würde sagen "zerstreut". Die meisten Gyromitra-Arten sind eben sehr selten bis extrem selten.


    Die Gattung ist doch recht artenreich - und ich interessiere mich schon länger für die Lorcheln, doch selbst gesehen / gefunden habe ich nicht so viele - insgesamt neun Taxa (acht Arten, eine Varietät) - nehme ich eine Frischzusendung dazu, dann sind es zehn (aber nicht selbst gefunden). Und von den zehn ist gyromitra perlata die häufigste scheibenförmige.


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus beinand,


    ja, Imperator rhodopurpureus und Imperator luteocupreus sind m.E. nicht immer leicht zu unterscheiden. Vor allem nicht, wenn dann doch Altrosa am Hut ist.


    Hier ein Fund aus Oberbayern, genauer gesagt südlich von München - Imperator luteocupreus:




    Ein tolles Schwammerl. Ich kenne aber nur diesen einen, einzigen Fundpunkt und habe ihn noch nirgends sonst selber gesehen.


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Seass Peter,


    deine Becher sind sicher Flatschmorcheln. Und bei Nicos Becher sieht man, dass Bestimmung nach Foto immer auch ein bisserl geraten ist. Von oben sah es für mich so aus, dass es sicher die Lorchel ist.
    Das neue Bikd zeigt dann eine einheitlich helle Außenseite. Und kommt der Chlorgeruch dazu, dann war's das mit der Lorchel und das, was ich ausgeschlossen hatte, kommt wieder sehr stark in den Fokus ;)


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus Sepp,


    das sieht bei mir nicht anders aus. Die einen Eschen sterben wegen dem Hymenoscyphus-Befall und die, die gesund und stark sind, werden gefällt, damit der nette, offene Kamin schön befeuert werden kann, der so in ist. Oder profan als Hackschnitzel für die Heizung? Egal wofür, der Forst killt die gesunden und der Pilz den Rest.


    Zum Glück wachsen Morcheln auch bei Eichen, Obstbäumen, Pappeln... *heul


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus Nico,


    Morchelbecherlinge schließe ich hier völlig aus. Da passt weder Farbe, noch Form der Becher, noch die Außenseite. Und ich hatte noch nie einen Morchelbecherling, der nicht nach Chlor roch (außer völlig ausgedörrte).


    Ich sehe da auch mit hoher Wahrscheinlichkeit Helvella leucomelaena. Da es ein Mykorrhizapilz ist, wirst du diese nette Lorchel in jedem Frühjahr finden. Wenn du einen Fruchtkörper entnimmst, wirst du einen kurzen, weißen Stiel mit wenigen, etwas verdrehten, angedeuteten Rippen sehen. Dieses Weiß geht dann zum Becherrand in ein fast Schwarz über, daher auch der Name.


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Seass Peter,


    stimmt, Skeletocutis nivea kommt in Europa nicht vor. Jedenfalls nicht s.str.


    Unabhängig davon ist dieser Porling keinesfalls eine Skeletocutis. Man sieht sehr schön, wie diese Treppenstufen ohne Hutkante vom Porling angelegt werden. Eine Pilzstiege sozusagen nur schwer zu begehen... Das ist typisch für Antrodia. Man könnte es am Holz prüfen. Der Stamm müsste hinter dem Fruchtkörper braunfaul sein - also in dunkle Würfel und Quader zerfallen.


    Ich meine auch, bei einem Foto das ockerliche von Antrodia serialis zu erkennen. Da hätte ich aber bei dem Fruchtkörper an der Schnittkante schon die eine oder andere ockerfarbene Stufenoberseite erwartet.


    Skeletocutis nivea s.l., also vermutlich Sk. nemoralis, wächst nur an Laubholz und hat so einen typischen bläulichen Schimmer in den noch viel engeren Poren. Die erkennt man sofort (und wächst meist an Esche). An Nadelholz wäre es Skeletocutis cummata - aber auch da passt der Fruchtkörper eben gar nicht. Wenn das ne Sleketocutis ist, dann spendiere ich dir in der Steiermark 10 Schnäpse deiner Wahl - für jede Pore pro Millimeter, die Skeletocutis haben kann, einen :)


    Liebe Grüße,
    Christoph


    P.S.: carter:
    sollte der Fruchtkörper reif sein und sporulieren, ist er bestimmbar (ob auf Art, kann ich nicht sagen, aber auf die Gattung oder das Artenaggregat sicherlich, sag ich mal so). Der Fäulnistyp wäre auch hilfreich. Nebenbei bemerkt: weiße Antrodien sind auch eine Höchststrafe...

    Servus carter,


    der Porling sieht sehr nach eine Antrodia aus - schwierige Gattung! Ist aber m.E. so rein makroskopisch nicht bestimmbar.


    Liebe Grüße,
    Christoph


    P.S.: die Scheibenlorcheln erst sehr reif ernten, fast schon überständig - ohne reife Sporen sind sie unbestimmbar ;)

    Servus carter,


    Exidia plana ist der alte Name für das, was manheute Exidia nigricans nennt - ihr meint beide den gleichen Pilz.


    Deine "Flatschmorchel" ist, wie Gerd schon schrieb, keine... Es ist eine Lorchel, genauer genommen eine der becherförmigen Lorcheln. Ohne Mikroskopie wirst du hier aber nichts genau bestimmen können. Sollte das Substrat wirklich Fichte sein, so ist es fast immer Gyromitra perlata. Ist es z.B. Laubholz, so wird es sehr spannend, aber auch an Nadelholz gibt es mehr als eine Art. Ich habe einenBestimmungsschlüssel für die Gattung Gyromitra erstellt - siehe [url=https://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,1502.0.html]hier[/url]. Das nur so als Hinweis, wie schnell es bestimmungstechnisch schwierig werden kann... und giftig - Gyormitra kann Gyromitrin enthalten - Gyromitra perlata enthält zwar nur wenig davon, aber bei den seltenen Schwesterarten wurde der Gehalt m.W. nicht getestet. Insofern wäre dann das Essen Russisches Roulette.
    Nur was am Boden wächst (und!) nach Chlor riecht, ist eine Flatschmorchel. Es gibt auch Lorchelbecherlinge am Boden...


    Ach ja, die Flechte... das ist eine Peltigera.


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus Josef,


    ich kann deine Bestimmung nur bestätigen - und in der Tat: ein hübsches Pilzlein ^^ - quasi ein Porling mit Lamellen.


    Liebe Grüße,
    Christoph

    ---> Denn, es existiert aktuell immer noch kein allgemein anerkanntes Artkonzept.


    Servus Gerd,


    ja, und das wird sich auch nicht ändern, da man den Artbegriff gar nicht exakt und sauber definieren kann. Das liegt bereits darin begründet, dass sich Arten ja dynamisch bilden, indem z.B. Teilpopulationen sich genetisch isolieren und dann, sollten sie z.B. noch eine breite ökologische Potenz besitzen, durch stabilisierende Selektion z.B. unterschiedlich ökologisch einnischen, dadurch sich noch weiter isolieren, bis sie irgendwann so weit genetisch / morphologisch (usw.) voneinander entfernt sind, dass man sie "klar" als zwei Arten wahrnimmt.


    Wie kann und soll man bei so einem fließenden Übergang feste Grenzen definieren? Das geht einfach nicht. Deshalb ist das Artkonzept, welches man wählt, um damit Arten zu definieren, sehr davon abhängig, was man damit erreichen möchte.


    Wie schon erwähnt, ist auch das biologische Artkonzept nicht so klar, wie es scheint, denn Kreuzbarkeit wird nicht als absolutes Ausschlusskriterium angesehen, wenn es darum geht, zwei Populationen hinsichtlich Konspezifität zu bewerten. Ich habe ja schon die Hybride bei Pflanzen erwähnt, die man akzeptiert, ohne die Ausgangsarten, aus denen die Hybride hervorgingen, dadurch zu synonymisieren.


    Von Apomikten, die sich nur asexuell vermehren, bei denen Kreuzbarkeit gar nicht prüfbar ist, ganz zu schweigen.


    Das morphologische Artkonzept wiederum ist von allen Artkonzepten wohl die größte "Hilfskrücke". Man wendet es dann an, wenn kein anderes greift - z.B. bei Apomikten, weil ja keine Kreuzungstests gehen. Oder bei Mykorrhizapilzen, die schlecht zu züchten sind (usw.).


    Das genetische Artkonzept ist letzten Endes auch "nur" eine Form des morphologischen Artkonzepts, da nur Ähnlichkeiten der DNA untersucht werden. Wird es aber mit Methoden der klassischen Phylogenie gepaart (Suche nach Autapomorphien - also nach neuen "Erfindungen" der Art, die eben bewirken, dass sich die Teilpopulation anders einnischt, evolutiv erfolgreich wird usw.), kann es wohl besser die Entstehung von Arten nachträglich aufklären (inklusive genetischer Uhr).


    Im Moment ist hinsichtlich sympatrischer Artentstehung und -Definition das ökologisch-evolutive Artkonzept "in", in welches sowohl das genetische, das morphologische als auch das biologiesche Artkonzept einfließen. Es ist quasi eine Mischung aus allen und versucht zu erklären, warum eine Teilpopulation als Art angesehen werden sollte. Die Grundidee ist, dass auf Dauer eine Artaufspaltung nur geht, wenn die beiden neuen Arten nicht exakt die gleiche ökologische Nische (in der gleichen Region) besetzen, da sich dort durch direkte Konkurrenz entweder eine der beiden durchsetzt und die andere verdrängt oder sie sich doch wieder völlig vermischen und eine Art bleiben. Das ist der Grund, warum man erstmal genetisch "vorstochert" - man prüft die Isolation voneinander mithilfe einer genetischen Uhr. Dann sucht man (idealerweise) nach der ökologischen Differenzierung der beiden Teilpopulationen und schließlich nach den dies erklärenden Merkmalen.
    Bei Pilzen fällt letzteres oft schwer, da sie so merkmalsarm sind, was Merkmale angeht, die Einnischungen erklären. Oder genauer gesagt: die entsprechenden Merkmale für uns oft nicht sichtbar sind (z.B. chemische Anpassungen, Stoffwechselwege usw.). Deshalb finde ich so spannend, dass z.B. Professor Dr. Peter Spiteller in Bremen "chmische Ökologie von Pilzen" als Forschungsleitthema verfolgt.


    Wie gesagt, man kann dazu und darüber seitenweise schreiben, diskutieren usw. Dass die alte, bei uns in Deutschland verfolgte Methodik, man brauche drei unabhängige, sich unterscheidende (beliebige) Merkmale finden, um zwei Teilpopulationen als getrennte Arten zu definieren, ist offensichtlich willkürlich. Warum drei? Warum beliebige, wenn sie unabhängig sind? Wie testet man die Unabhängigkeit?
    Nein, Merkmale sollten gewichtet werden. Und manchmal erklärt ein Merkmal, das eine große Auswirkung hat, warum sich die Teilpopulationen auseinander entwickeln /entwickelt haben.


    Ich selber bin daher, was die Anwednung von Artkonzepten angeht, relativ flexibel. Bei Pilzen bleibt da dann aber oft wenig übrig, als morphologisches und genetisches Artkonzept gemeinsam anzuwenden. Und auch das ist nicht sooo einfach, wie uns ja allen klar ist (sage ich mal so). Interessant ist dann aber, wenn man plötzlich erkennt, dass sich die "Arten", die man früher nicht anerkannt hätte, doch ökologisch unterscheiden. Das kann man dann doch oft genug herausarbeiten - hier hilft die Genetik sehr, da man dieses Artkonzept ja an und für sich einfach anwenden kann (als Profi, der die Mittel hat). Mit dem genetischen Artkonzept kann man dann die Einnischung testen. Ergibt das dann was Greifbares, ist die Artkonzeption gefestigter.


    Bei den Morcheln ist man da halt doch noch ein gutes Stück entfernt. Aber ich bin gespannt, was da noch alles rauskommen wird.


    Zitat


    Was empfehle ich einem Pilzfreund/Speisepilz-Sammler, der kein studierter Mykologe ist:

    • Arten- und neuerdings auch Gattungs-Splitting einfach ignorieren, wenn keine für Laien nachprüfbare morphologische/ökologische Merkmalsunterschiede bekannt sind.
    • Abwarten bis sich derartige Neuerungen in der neueren Populär-Literatur auftauchen oder wenigstens in die Pilz-Datenbank des Heimatland aufgenommen wurden.
    • Das ging übrigens in seltenen Fällen (z.B. Hallimasch-Splitting; Splitting der Gattung Rüblinge) erstaunlich schnell.


    Hihi, du hast es schon geahnt - da "muss" ich was erwidern...


    zu 1.) Gattungs-Splitting zu ignorieren, ist sicher hilfreich. Mache ich auch - z.B. simplerweise auch daher, weil ich mir gar nicht merken kann, in was alles Phellinus (als ein Beispiel) zerlegt wurde und welcher ex-Phellinus jetzt wo steht. Allerdings hat das rein pragmatische Gründe - deshalb ignoriere ich die neueren Erkenntnisse nicht. Im Gegenteil - ich wende sie nur bewusst nicht an, weil sie bei dem, was ich will (z.B. im Gelände miteinander über einen "Phellinus" so zu kommunizieren, dass mich jeder versteht und ich jeden) hinderlich sind. Das ist aber kein "einfach Ignorieren", sondern "bewusst im Moment nicht Anwenden".


    zu 2.) Kommt drauf an - will ich kartieren, dann wäre es schade, das, was ich jetzt schon an Information hätte, wegzuwerfen, nur weil die Datenbank das noch nicht aufnehmen kann. Beispiel aus der Vergangenheit - früher hatte man ja nicht mal "Xerocomus" pruinatus anerkannt und musste selbst klar bestimmte Proben als "Xerocomus " chrysenteron kartieren. Nachdem dann wirklich so klar war, dass es zwei Arten sind, dass alles, auch die Datenbanken, reagierte, musste man großteils von vorne anfangen zu kartieren. Hätte man nicht der Datenbank brav folgend die eigenen Daten genauer abgespeichert, hätte man die Eingaben nachträglich korrgieren können.
    Gerade für die Kartierung finde ich daher ein enges Konzept sinnvoller - nachträglich zusammenschmeißen kann man Datensätze immer noch, wenn sich eine Synonymie später bestätigen sollte. Nachträglich auftrennen geht aber nicht - man muss von vorne beginnen.
    Die Populärliteratur wiederum wird nur seltenst definieren können, was an Erkenntnisgewinnen wichtig und richtig ist, da die Autoren das ja oft / meist nicht beurteilen können. Jedenfalls hinken Allgemeinwerke oft 20, 30 oder mehr Jahre hinterher.


    zu 3.) Ja klar, das geht dann schnell, wenn die Argumente sehr stark sind. Manchmal wirkt die Bequemlichkeit dem gegen - z.B. Tintlinge. Coprinus comatus (und die Arten aus dieser Artengruppe - im Moment ca. 8 bei uns) ist sowohl anatomisch, morphologisch als auch genetisch ganz klar ein Champignon-Verwandter, gehört also zu den Agaricaceae. Der Rest der "Tintlinge" ist mit den Faserlingen nah verwandt und gehört zu den Psathyrellaceae. Das Zerfließen ist mindestens dreimal entwickelt worden, da es auch Conocyben gibt, die zerfließen. Außer der Bequemlichkeit, weiterhin "Coprinus" zu sagen, gibt es daher keinen Grund, dem Abtrennen der Schopfis vom Rest nicht zu folgen. Und hier sind wir wieder bei 1 - ich sage dennoch oft genug "Coprinus" zu nicht-Schopfis, weil ich gerade nicht weiß, in welche der neuen Kleingattungen die Art gehört (wie auch bei Phellinus als Beispiel, siehe oben). Insofern geht es eigentlich nur um das weitere Aufdröseln der Tintlinge. Und da sagt man halt gerne, wenn man schon neu sortiert, dann kann man es gleich komplett machen. Und schwupps, zerlegt man...


    Was natürlich immer bedacht werden sollte: jede Neuerung muss sich erstmal setzen, etablieren - und das meinst du mit deinen Punkten ja; jedenfalls gehe ich davon aus. Und manchmal muss man nur ein bisserl warten, und schon hat sich wieder alles auf den Kopf gestellt, und wartet man noch länger, stabilisiert sich das Ganze ein wenig. Und dann kann man auch wieder dem Neuen folgen.


    Die Mischung machts - Geduld und ein bisserl konservativ denken, aber nicht dogmatisch werden. Letzten Endes setzen sich (hoffentlich) immer die besseren Argumente durch. Und bis klar ist, was die besseren Argumente sind, wird diskutiert. Und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften sind auch nichts anderes als Diskussionsbeiträge.


    Was würde ich also denen raten, die nschon rein aus Zeit- und Ressourcengründen nicht allen aktuellen Entwicklungen folgen können? Letzten Endes wohl fast das Gleiche - erstmal alles auf sich zukommen lassen und pragmatisch handeln. In den Teilbereichen, die einen besonders interessieren, kann man versuchen, den Neuerungen zu folgen. Und da, wo es nicht geht, macht man es halt nicht - aber nicht, weil man die Neuerungen ablehnt, sondern weil man da einfach nicht mitkommt.


    Ich hoffe, es wird klar, was ich meine - das Thema ist wie gesagt "etwas" schwierig.


    Liebe Grüße,
    Christoph


    wie immer eine fundierte ausführliche Antwort. Danke!


    Ich schlage vor "die meisten Menschen" nicht weiter mit diesem hoch interessanten Thema zu langweilen. Denn wir sind uns eh weitgehend einig und unterscheiden uns nur in der Beurteilung wenigen Details.


    Servus Gerd,


    gern geschehen! Und ich gebe dir völlig recht: die meisten würden gelangweilt werden, wenn wir das jetzt nich weiter betreiben. (Allerdings steht das Thema ja bei "Wissenschaft", passt also)


    Zudem diskutiere ich gerne mit dir - es ist schade, dass du anderswo nicht mehr präsent bist / präsent sein kannst. Im BMG-Forum bist du aber jederzeit sehr willkommen, was du ja sicher weißt. Ich treffe dich aber auch sehr gerne hier (mit "treffen" meine ich natürlich virtuell)...


    Um jetzt kurz ganz off topic zu werden: ich kenne einen Schachspieler aus Ulm, der dich kennt - die Welt ist klein. Vielleicht hat er meine Grüße ausrichten können... :sun:


    Servis Cooki,


    der Begriff "gute" Art ist eigentlich obsolet - wenn etwas eine Art ist, ist es eine Art und wenn nicht, dann keine. Allerdings gibt es Arten, deren Artrang kontrovers diskutiert wird, andere Arten werden hingegen auf breiter Ebene auf diesem Rang anerkannt. Letztere, also klar definierbare Arten, werden "gute Arten" genannt. Und wenn jemand bei einer meist nicht als Art anerkannten Sippe meint, klare Erkennungsmerkmale gefunden zu haben, der schreibt dann ganz gerne, dass es deswegen eben doch eine "gute Art" sei und doch bitte anerkannt werden solle.


    Das "gut" bezieht sich also nicht auf den Speisewert (was ja klar war, du hast es ja nur augenzwinkernd gesagt), sondern darauf, wie gut diese Art definiert / erkennbar ist.


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Servus Gerd,


    das Argument, etwas zu ignorieren, weil es noch nicht in irgendeiner Datenbank enthalten ist / in diese aufgenommen wurde, verstehe ich nicht. Ich selber ziehe meinen Schluss, in der Gattung Morchella eben nicht die Möglichkeit zu haben, auf Artebene zu bestimmen. Könnte ich es aber - wenn ich beispielsweise Morchella anatolica finden würde (dem Klimawandel sei Dabk?!) - so würde ich das nicht ignorieren, sondern trotzdem die Spezies bestimmen und den Erstnachweis entsprechend publik machen.


    Was das Artkonzept an sich angeht, könnten wir hier vermutlich virtuell lange diskutieren, nur würde das wohl die meisten Mitlesenden recht bald langweilen. Ich sage nur so viel - es ist alles nicht so einfach, wie es oft scheint. Eine deiner Aussagen möchte ich aber zurechtrücken. Jedem Biologen st klar, dass man nicht zwei wahllos ausgesuchte Individuen einer Spezies kreuzen kann - es geht auch nicht Mann mit Mann, Frau mit Mann, sehr alte Frau mit Mann usw. Das, soweit kannst du mir glauben, ist einem Biologen klar. Wenn Kreuzungstests gemacht werden, dann wird erstmal festgestellt, wie viele Kreuzungstypen eine Art hat. Es gibt Pilze mit bis zu 25.000 Kreuzungstypen - hier fällt es auch innerartlich schwer, kreuzen zu können, da die meisten "Pärchen" intersteril sind. Du kannst mal überlegen, wie viel Aufwand es war, das herauszubekommen und vor allem Exemplare von allen Kreuzungstypen zusammenzubekommen.
    Man kann diskutieren, ab wann bei Kreuzungstests eine echte Kreuzung stattfand. Hier wird aber eher sogar von einem positiven Ergebnis ausgegangen, wenn nicht einmal gezeigt wird, dass auch aus der Kreuzung fertile Nachkommen herauskämen. Sprich, wenn das Ergebnis eine Intersterilität ist, sich also Populationen wirklich nicht kreuzen, dann sind es eben zwei Arten. Und das auch dann, wenn wir nicht in der Lage sind, sie zu unterscheiden.


    Dass Kreuzungstests oft nicht gehen, sagt nicht, dass sie dann, wenn sie gehen, nicht aussagekräftig sind. Zudem kann man in manchen Fällen auch bei Kreuzbarkeit von zwei Arten sprechen. Man kann Hänge- und Moorbirke kreuzen, dennoch sind sie getrennte Arten... Hybride gibt es auch bei Pilzen - auch bei Großpilzen.


    Eine weitere Aussage möchte ich etwas zurechtrücken - und zwar über die ITS. Es ist zwar richtig, dass diese Region der DNA kein Protein kodiert. Die ribosomale DNA ist aber die Blaupause für die RNA, aus der später die Ribosomen aufgebaut werden. Die ITS ist die Blaupaise für das Verbindsungsstück zwischen Großer und Kleiner Untereinheit des Ribosoms. Das bedeutet, die ITS hat eine wichtige Aufgabe und ist daher durchaus konservativ. Teilabschnitte der ITS sind aber teils relativ unwichtig, da es hier nur um Fadenlänge und nicht um die Basenabfolge auf dem "Faden" geht. Diese Bereiche werden dann nicht so gut repariert. Deshalb hat man anfangs die ITS als ideal angesehen, sowohl auf größerer Ebene (Familien / Gattungen) als auch auf Artebene mittels ITS aufzulösen. Bei manchen Pilzen ist die ITS aber so konservativ, wird also so gut repariert, das ssie selbst bei klar unterschiedlichen Arten identisch ist. Bei Risspilzen kennt man sowas.


    Die LSU, also die DNA, die die Blaupause für die RNA ist, aus der die Große Untereinheit des Ribosoms aufgebaut ist, ist meist noch konservativer als die ITS. Manchmal löst sie aber auch ganz gut auf. Das ist alles von Gattung zu Gattung, von Artkomplex zu Artkomplex unterschiedlich.


    Zitat


    Mein Fazit: Ich kann nicht nachvollziehen, dass man (a) DNA-Analysen auf Artebene, (b) Kreuzungsversuche völlig kritiklos als das "Gelbe vom Ei"/Evangelium akzeptiert.


    Es gibt viele Fehlerquellen - im Alignment, in der verwendeten Statistik, in der Wahl der Outgroup, in der Wahl der ausgewählten Arten... Daher gibt es immer Möglichkeiten für Kritik. Das Berechnen eines Stammbaums ist alles andere als trivial. Deshalb folge ich keinen Stammbaum blind oder kritiklos. Ich folge auch keiner Synonymiesierwelle kritiklos - Beispiel Leccinum. Teile der ITS wurden verglichen - bei einer Gattung, in der Artaufspaltung auch durch Polyploidisierung erfolgte, was sich dann eben nicht auf die Sequenz auswirkt. Wie gesagt, viele Fehlerquellen.
    Umgekehrt genauso, wenn Aggregate aufgespalten werden, nur weil eine Sequenz verwendet wird - wie am Beispiel der Morcheln - folge ich dem auch nicht blind. Ich beobachte es aber.


    Aber ganz ehrlich - es ist ja nicht nur die ITS. Gerade bei den Spitzmorcheln gibt es auch morphologische Merkmale bis hin zum Sporenornament. Und hier sehe ich auch deutliche ökologische Unterschiede. Insofern kann ich nachvollziehen, dass es möglich sein kann, mehrere Arten abzutrennen. Bei den Speisemorcheln sehe ich auch verschiedene Ausprägungen, nur scheint da die Variabilität so groß zu sein, dass nicht so viel mit Bestimmungsmerkmalen geht. Vielleicht abgesehen von Morchella vulgaris und Morchella steppicola.


    Noch kurz zu Coprinus. Dass die Arten rund um Coprinus comatus zu der Verwandtschaft der Champgnoins gehören, war auch ohne DNABefund klar. Die Rhizomorphen haben den Aufbau von Lepiota/Agaricus-Rhizomorphen (inklusive der starken Dextrinoidie der Außenhyphen); das rosa bis rote Pigment der Lamellen vor dem Zerfließen ist das gleiche wie bei Agaricus, wenn dessen Lamellen rosa bis rot werden; Der Ring ist eine beweglicher, verschiebbarer Ring wie bei Macrolepiota / Chlorophyllum - nur nicht so komplex aufgebaut. Und selbst die Hutoberfläche ist typisch lepiotoid. Die Genetik bestätigt das alles und hier ist es sehr deutlich. Corpinus zu zerlegen war also nicht nur die Folge der Untersuchung einer hochvariablen Region. Und die ITS selbst ist eben nicht immer hochvariabel - und wenn sie es ist, nur in Teilbereichen.


    Bei den Morcheln sind wir im Moment eben in einer Art Zwischenphase. Im Moment toben sich die Genetiker aus. Wobei ich es als sehr positiv empfinde, dass viele Autoren zusammenarbeiten. Also nicht nur reine Genetiker, sondern auch Gattungsspazialisten. Und wenn man irgendwann mal mit der ITS durch ist und die Clades erstmal alle halbwegs definiert sind, kann und wird mal wohl auch mit einem Multigenansatz rangehen. Sollten dann wirklich 60 Arten genetisch definierbar sein, wird - so hoffe ich - auch das eine oder andere Merkmale gefunden werden.


    Ich erinnere mich da an den "Aufschrei", als publiziert wurde, dass Hebeloma crustuliniforme aus ca. 30 intersterilen Arten besteht, die nicht unterscheidbar seien. Mittlerweile kann man alle (ich glaube, es sind 34) auseinandermikroskopieren. Es hat ein paar Jahre gedauert, aber alle davon sind mittlerweile wieder klassisch bestimmbar. Das kann auch bei anderen Aggregaten sein. Bis dahin sind sie aber natürlich nicht wirklich kartierbar.


    Daher sage ich ja, dass das durchaus unbequem für klassische Bestimmer sein kann, es ist aber äußerst spannend. Und für mich überwiegt die Spannung. Zudem werden wir uns daran gewöhnen müssen, dass Vieles, was bisher bestimmbar war, mehr als eine Art ist. Das war auch so, als das Mikroskop in die Pilzkunde eingeführt wurde. ;)


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Seass Peter,


    im Moment traut sich fast niemand, nur anhand von Sequenzen neue Arten zu beschreiben. Und eine Beschreibung der morphologisch-anatomischen Merkmale gehört immer noch dazu. Auch bei der reinen "Sequenzmorchel", die ich oben erwähnt habe. folgt eine makroskopische und mikroskopische Beschreibung. Nur hat die keine Erkennbarkeit ergeben. Hätten die Autoren nur ein Fruchtkörperfragment, sodass sie nicht mal prüfen können, wie die Merkmale aussehen, hätten sie sie auch nicht nach der Sequenz beschrieben. Es gibt aber Bestrebungen, wirklich nur noch blind nach DNA zu beschrieben (auch aus Bodenproben) und die Merkmale einfach wegzulassen. Zum Glück wird das vom Nomenklatur-Code (noch nicht?!) erlaubt.


    Daher wirst du immer noch eine schöne Kollektion von jung bis alt brauchen und ein Fruchtkörper ohne Stielbasis wird weiterhin nicht für eine Neubeschreibung reichen. Die türkischen Autoren der neuen Spitzmorchelarten haben auch ein paar Jahre reingesteckt, denn die Clades waren ja schon vorher bekannt es wird eben auch da nicht sofort neu beschrieben.
    Da man aber bei Morcheln weiß, dass eine Bestimmung kaum möglich ist, wird dann auch leichter ohne Abgrenzung beschrieben.
    Das betrifft auch andere Gattungen - zum Beispiel Glöckchennabelinge: Xerompahlina campanella ist zurzeit nicht bestimmbar. Es gibt zwei Arten, die aber klassisch im Moment nicht unterschieden werden können. Ein Beispiel von immer mehr, die kommen und kommen werden.


    Habedieehre,
    Christoph :)