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letzter Beitrag von ohkw ()

Knoblauchschwindling: Viel Verwirrung

  • Hi!
    Ich habe mich die letzten zwei Jahre Hobby-mäßig etwas in das Thema Pilzzucht eingearbeitet.
    Nachdem ich den echten Knoblauchschwindling (Mycetinis scorodonius) im eigenen Wald entdeckt habe, habe ich mich mit dem Pilz etwas näher beschäftig und es nach vielen, vielen Versuchen und Experimenten sogar geschafft den Pilz zu kultivieren.
    Die vielen Dinge die ich im Internet zu dem Pilz finde sind allerdings mehr als konfus. Im deutschsprachigen Raum wird der Pilz als besonders teuer und begehrtes Gewürz beschrieben. Dabei wird immer auf die Franzosen verwiesen, wo der Pilz Mousseron heißen soll.
    Bei etwas recherche kommt aber heraus dass die Franzosen zwischen einem echten Mousseron (Mousseron vrai) und einem falschen Mousseron (Mousseron faux) unterscheiden.
    Keiner davon ist der echte Knoblauchschwindling.
    Mit ersterem wird der Maipilz (Calocybe gambosa) bezeichnet, mit zweitem der Nelkenschwindling (Marasmius oreades).
    Allerdings gibt es einen Marsme d'ail (Knoblauchschwindling) mit dem allerdings der saitenstilige Knoblauchschwindling (Mycetinis alliaceus) bezeichnet wird.
    Tatsächlich heißt M. scorodonius im Französischem Marasme echalote, was soviel wie Charlotten-Schwindling bedeutet. Zu irgendeinem besonderen Speisewert weiß das französischsprachige Internet (bei google die Sprache umstellen!) nicht viel.
    Im englischsprachigen Raum wird die Suche noch schwieriger, da die englische Bezeichnung "garlic-scented mushroom" zu 99% zu irgendwelchen Pilzrezepten mit Knoblauch führt. (in den USA gibt's zudem noch weitere essbare Knoblauchpilze wie z.B. Mycetinis copelandii).
    Wikipedia schreibt zum Speise wert von Mycetinis scorodonius: "The taste of [i]M. scorodonius[/i] is often described as nasty or unpleasant, but it is sometimes considered edible and the caps are used to add a garlic flavour to dishes."
    https://en.wikipedia.org/wiki/…odonius#cite_note-Moser-5
    Zudem habe ich keinerlei Kaufs oder Verkaufsangebote zu Knoblauchschwindlingen je gefunden. Rezepte sind auch Fehlanzeige, einzig ein paar alte Artikel im Gault Millau enthalten Erwähnungen für Wildgerichte.


    Woher kommt also die Verwirrung, dass in diversen Büchern und deutschsprachigen Internet Enzyklopädien immer vom hohen Wert und vom "Mousseron" gesprochen wird? Ich weiß nicht so wirklich was ich da mittlerer Wile von halten soll.
    Der Geschmack des von mir gezüchteten Knoblauchschwindlings ist ziemlich identisch mit dem was man im Wald findet, schwankt aber etwas von Pilz zu Pilz in Intensität und Ausrichtung. Die Ausrichtung bewegt sich irgendwo zwischen einer Trüffel-Knoblauchnote.
    Ich habe aus den geernteten Pilzen Pilzpulver gemacht bzw. auch mit Frischpilzen gekocht. Dabei ist mir aufgefallen, dass getrocknetes Pilze und Pulver unbedingt erst mit Wasser "aktiviert" werden müssen bevor man sie in ein Gericht gibt, da Öl/Fett die Reaktion, bei der das Aroma entsteht, zu inhibieren scheint. Wenn ich also die selbe Menge Pulver einmal in einer Tasse mit etwas Wasser verrühre und dann in eine Rahmsuppe gebe, bzw. direkt das Pulver in die Rahmsuppe erhalte ich in erstem Fall eine intensiv nach Knoblauchschwindling schmeckende Suppe und im zweiten Fall eine Suppe die nur eine Champignon ähnliche Note aufweist, mit so gut wie keiner Knoblauch-Trüffel Note.
    Ein Pilzspezialist hat mir freundlicherweise sowohl mikroskopisch, als auch mittel ITS Sequenzierung bestätigt, dass es sich bei dem von mir kultiviertem Pilz um M. scorodonius handelt.


    Mich würde interessieren was ihr von diesen Beobachtungen und "Recherche Ergebnissen" haltet.
    Anbei noch etwas Anschauungsmaterial. In Kultur ist der Pilz etwas dunkler als in Natura.


  • Hi Stefan,


    dieses Thema hatten wir bereits im Vorjahr, Teuerster Pilz der Welt???


    Der Preis pro Kilogramm für M. scorodonius ist eher eine fiktiver, weil es dafür offensichtlich keinen Markt mit Angebot/Nachfrage gibt. Carter verwendet diese Pilze, vlt. schreibe er was dazu, ob er die bzw. das Pilzpulver zuvor in Wasser einweicht. Angeblich hat man nach dem Essen keine Knoblauchfahne, was Steirern & Kärntnern aber imma schon wurscht war.


    Schön, dass dir der Versuch mit dem Knoblauchschwindling gelungen ist und Danke, dass du uns daran teilhaben lässt. Erkannt hätte ich ihn als solchen nicht, aber wie du eh anführst ist er in Natura deutlich heller. Für eine profitable Zucht müsste erst der Bedarf geweckt werden, dass aber hat das Zeugs mit viel Zucker und Coffein drinnen auch geschafft, ;.)


    Den zu sammeln ist etwas für Frohnaturen, die sich noch gut bücken können und seeehr viel Zeit haben. Hab' ich vor zwei Jahren gemacht, morgen steht die erste Kostprobe an. Hab' den nicht mehr am Schirm gehabt ...


    Unter RIS ist mir das österreichische Rechtsinformationssystem geläufig, meintest du ev. ITS-Sequenzierung?


    Höllenfeuer Ketchup von Felix? Müdes Zeug, da ist ein Klagenfurter viel schärfer drauf,



    LG
    Peter

    Es reicht ein Hut aus Fomfom als Statussymbol. Wenn der Blitz einschlägt brennt nur der Kopf.

  • Hi Habicht!
    Sollte natürlich ITS Sequenzierung heißen. Aussetzer.


    Also wenn man ein frisches Schwammerl verzehrt, riecht man das aus der Nähe doch ne halbe Stunde. echten Knoblauch nimmt man doch deutlich länger wahr.


    Das Ketchup dient nur zum Größenvergleich. Ich mach meine eigene Chilisauce mit selbst gezogenen Carolina Reaper Chilies. Aber nicht so extrem dass man es nicht mehr essen kann. 500g geschnittene entkernte Chilies werden ca. 5L Sauce. ;) :P


    Liebe Grüße!
    Stefan

  • Hallo Stefan,


    mein Name ist Ulli, ich bin ein Myzelienhändler aus Norddeutschland. Ich bin zufällig über deinen Beitrag gestolpert, der ja zum Glück öffentlich geschaltet ist und hab mich hier gleich angemeldet, um in eine Diskussion mit dir einzutreten. Würde mich sehr freuen, wenn du antwortest...


    Deine Bilder vom Mycetinis haben absoluten Seltenheitswert, ich weiß nur von 2 weiteren Züchtern, die Erfolge vorweisen konnten. Vielen gilt die Art gar als heiliger Gral in der Zucht. Weltweit erster Kultivator war eine schweizerische Züchterlegende namens "Sporulator" , der in Walter Haidvogls Forum Pilz-Kultur.at bereits 2014 erste Fotos zeigte. Inzwischen haben auch andere mir bekannte Züchter Erfolge erzielt, alle berichten von einer langen Suche nach dem richtigen Substrat. Funktioniert haben am Ende Holzkompost oder Flachsstroh, vielleicht verrätst Du mir andeutungsweise, was Du verwendet hast.

    Ich bin genau wie Du bei Recherchen zum eigentlichen Begriff "Mousseron" und den Gründen für die Verweise auf den echten KS immer wieder ins Leere gestossen. Als Kochlehrling in einem Nobelladen hatte ich vor 40 Jahren die Gelegenheit, eine Sauce zu probieren, die mit Pilzchen aus einer kleinen Papiertüte mit französischem Aufdruck hergestellt worden war. Die Tüte mit wenigen Gramm des Pilzes wurde im "Tresor" des Küchenchefs neben den Trüffeln, Morcheln und dem echten Safran aufbewahrt. Ausgewiesen wurde uns der Pilz damals als "echter Mousseron", angeblich war der teurer als frische Burgundertrüffel. Der Geschmack der Sauce war atemberaubend, das muss natürlich nicht nur am Pilz gelegen haben, er bleibt jedoch unvergessen.

    Bei meiner letzten Suche auf französischen Feinschmeckerseiten wurden sehr wohl neben den Nelkenschwindlingen auch echte KS als Mousseron angeboten, leider liegt das schon zwei Jahre zurück. Ich danke dir aber sehr für deine tiefergehende Recherche, deinen Ansatz, alte Mythen wegzuräumen, finde ich lobenswert. Ich muss wohl tatsächlich davon abrücken, meinen echten Knoblauchschwindling als Mousseron anzubieten. Leider finde ich bei mir keine der angesprochenen Arten und muß wohl endlich einmal französische Trockenware einkaufen, um den kulinarischen Wert endlich richtig beurteilen zu können. Danke auch für den Hinweis mit der aromahemmenden Wirkung bei Fettkontakt.... und auch an Peter für seine Einschätzung der Marktlage.

    Gruß von der Küste, Ulli

  • Hi Ulli,
    Wie es der Zufall will hab ich mal wieder hie ins Forum gesehen. Danke für den Like. Mehr zu dem Zuchtversuch hatte ich damals im kulturpilz forum gepostet:
    Unvollständig entwickelte Fruchtkörper - Page 4 - kulturpilz.de


    Es sollte eigentlich keine Notwendigkeit bestehen Knoblauchschwindlinge aus Frankreich zu importieren. In Fichtenmonokulturen sind die alles andere als selten. Der Pilz funktioniert in Gerichten eigentlich am besten frisch. Mit Pulver aus getrockneten Knoblauchschwindlingen habe ich nur sehr inkonsistente Erfahrungen gemacht.


    An besagtem Nelkenschwindling bin ich im Moment dran. Eben diese Woche das erste Mal ein paar Fruchtkörper, wenn auch sehr kleine, hervorgebracht.

  • Hallo Miteinander,

    Da meine Muttersprache Französisch ist, hat mich das Thema neugierig gemacht:

    Tatsächlich heißt M. scorodonius im Französischem Marasme echalote, was soviel wie Charlotten-Schwindling bedeutet. Zu irgendeinem besonderen Speisewert weiß das französischsprachige Internet (bei google die Sprache umstellen!) nicht viel.

    In meinem Buch aus 1980, geschrieben von Georges Becker, damals "président honoraire" der französischen Mykologiegesellschaft, steht nichts über der vermeintlichen Speisewert von M. scorodonius. Im Buch heißt er "marasme à odeur de poireau", also Schwindling mit Lauchgeruch! Meiner Meinung nach ist das mit der großen Beliebtheit vom Knoblauchschwindling in Frankreich ein Mythos, sonst wäre der Speisewert dieses Pilzes im Buch erwähnt.

    Beim vrai Mousseron (Maipilz) und faux Mousseron (Nelkenschwindling) sagt der Autor, dass der erste einer der besten Speisepilze und der zweite ein ausgezeichneter Speisepilz sei.


    Liebe Grüße,

    Carole

  • Herzlichen dank für die Info, Carole, sehr hilfreich.... Und auch Dank für die weiterreichenden Tipps von Stefan. Toll, daß du auch mit dem Nelkenschwindling erfolgreich bist, danke für die Bilder. Der weltweite Erstzüchter vom Knobi ist inzwischen überzeugt, daß es mehrere Varianten gibt, die sich geschmacklich klar unterscheiden. Inzwischen ist einem befreundeten Züchter ebenfalls eine Fruchtung gelungen, auch er war vom Geschmack eines einzelnen rohen Pilzes begeistert. Ich mag aber auch nicht länger stricken an einem Gourmet-Mythos "Mousseron", lassen wir doch die Michellin-Stern bekrönte Kundschaft des Zuchtfreundes entscheiden. Verkostung diese Tage, Bericht folgt.

  • Ui, ist das der Zuchtansatz den man auf der Steintaler-Edelpilze Homepage sieht? Dass es mehrere Varianten gibt, hmmm. Mycetinis species gibts ja einige mit Knoblauchgeschmack: An investigation on Mycetinis (Euagarics, Basidiomycota) (pensoft.net)

    Der saitenstilige und der "echte" Knoblauchschwindling sind vom Knoblaucharoma im Grunde fast identisch. Habe den saitenstilgen heuer das erste Mal gefunden und auch geer, der beide Spezies erfolgreich kultiviert hat ist der Meinung dass da nicht viel um ist. Ich habe festgestellt, dass es zumindest bei den gezüchteten oft variert. Manche Exemplare aus ein und der selben Kultur haben teilweise kaum Knoblauchgeschmack.

    Bin jedenfalls gespannt auf deine Verkostung. Ich war auch vom Geschmack einzelner Pilze, frisch oder getrocknet sehr überzeugt aber aus diversen Gerichten waren die dann nicht herauszuschmecken. Der Geschmack scheint bei Kontak mit Fett verlorenzugehen, oder sowas in der Art. Am besten frisch klein Hacken und als Topping verwenden.

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